Raymond Loewy verband wie niemand anders das Angenehme mit dem Nützlichen. Gebot war, dass die Dinge um einen herum, seien es Gebrauchsgegenstände, Gebäude oder Verkehrsmittel, nicht nur durch das Äußere die Sinne ansprechen, sondern auch in ihrer Funktionalität bestechen.
Seine ersten Tage als Einwanderer zeigten, dass ansprechende Funktionalität für die USA noch weitestgehend Neuland war. Lichter blendeten in ungedämpfter Helle, Lärm lag in den Gassen und unter der Erde waren U-Bahnen nichts anderes als donnernde Kolosse — alles war fürchterlich ruhelos und überdreht zugleich. Aus der Nähe schien es disharmonisch und ohne jedes Maß, mit wachsender Entfernung immer weniger zerrissen. Dies mag ein Grund sein, warum Loewy das Treiben auf den Straßen stets lieber aus einer entschärfenden Entfernung beobachten wollte.
Dieses Urbild der verlorenen Harmonie zeigt sich beim Entwurf. Den abstoßenden Eigenschaften der Dinge setzt Loewy eigene ästhetische Vorlieben entgegen: die Effizienz der Ordnung, den Komfort der Sauberkeit und Geräuscharmut sowie die Eleganz aller Apparate. Die ersehnte Ruhe aus der Entfernung will er den Dingen durch die Vereinfachung der Form zurückzugeben.
Das Zuviel an Variation ist Unruhe, das Nebeneinander des Gewöhnlichen gleich Schmalz. Denn „Guter Geschmack spiegelt sich in allen Dingen des täglichen Lebens wider“, und so galt es, den amerikanischen Fortschritt in ein entsprechendes Äußeres zu verpacken. Als Apostel des guten Geschmacks, wie er sich bisweilen betrachtete, wollte er mit seinen Entwürfen die Bevölkerung positiv beeinflussen, den guten Geschmack gleich anheben.
So hat Loewys Wirken mit dazu beigetragen, dass sich Industriedesign in den 1950ern durch-setzen konnte. Die Verbindung von Ästhetik und Funktion im Produktdesign war zur Selbstver-ständlichkeit geworden und Unternehmen hatten begriffen, dass das Gesamterscheinungsbild und nicht die einzelnen Produkte zählen.
Mit seiner Art, Waren für den größtmöglichen Verbraucherkreis zu entwerfen, dabei den Nutzen des Konsumenten im Auge behalten und bei einem guten Entwurf nie stehen bleiben, sondern immer nach Verbesserung zu streben, war Loewy wie kein anderer seiner Zeit um Jahrzehnte voraus. Nicht umsonst trägt seine Autobiografie den Titel „Never Leave Well Enough Alone“ — Lass das Gute nie genug sein.